Riskant
(bitte liebe Kinder nicht nachmachen)

Mutwillig ein Risiko einzugehen mache ich schon lange nicht mehr. Ungewollt passiert einem schon so genug. Auf Glatteis ausrutschen, Schnitt- und Brandwunden bei der Küchenarbeit, Grippewellen, etc.
Aber manchmal wäge ich ab und entscheide mich mit mulmigem Gefühl für das unabwägbare Risiko. Der Flug in der kleinen Twinotter bei Monsun über den Himalaja, anstatt tagelanger Busreise, die Überquerung der sechsspurigen Straße, ehe ich auf dem einen km zur Fußgängerbrücke in der Mittagshitze zerfließe, verspeisen einer geschälten Ananas auf der Straße, wegen schrecklichem Durst, in der Hoffung, dass die Säure der Frucht stabil genug den Bakterien gegen halten kann, usw. Hab schon mal so einen Spieß in den nächsten Eimer geschmissen, weil die Frucht lasch, nicht mehr säuerlich schmeckte. Abwägen eben. Oder neulich im Kempinski. Das Sauerkraut. Außen lauwarm, innen Zimmertemperatur. Frisch aus der Mikrowelle scheinbar. Es ging dreimal zurück in die Küche, das arme Sauerkraut, bis dann auch der Teller heiß war. Und ich nicht mehr wusste, ob bayerisches Sauerkraut wirklich die richtige Wahl gewesen war.
Jetzt sitze ich im Taxi neben dem Fahrer, damit wir trotz meiner schriftlichen Adresse in chinesischen Zeichen, über mein IPhone und Freundin am anderen Ende, kommunizieren können. Gern sitze ich da nicht.
Ampeln werden als sinnlose Speedbremse verstanden und noch auf dem Zebrastreifen schlängeln sich die Autos um die Fußgänger herum, um ja nicht anhalten zu müssen. Als ich mich während der Aufffahrt zur „Highspeed Road“ anschnallen will, hebt der Fahrer den Zeigefinger und wackelt damit verneinend in meine Richtung mit einem begleitendem „eh-eh-no“. Natürlich fass ich den Gurt jetzt nicht mal an. Vielleicht fällt er aus der Anbringung, oder er hat sowieso keinen Riegel mehr. Oder ich beleidige seinen Fahrstil. Hab kein Vertrauen. Ich will mal was riskieren und gucken was bei raus kommt.
Manche Fahrer bedeuten einem den Gurt so nach links über den Oberkörper nur zu h a l t e n. Für die Verkehrspolizei.
Also ich schnalle mich gegen jede Vernunft und besseren Wissens nicht an und will so tun als ob das auch meine eigene Entscheidung ist. Will total entspannt den neben und vor mir auftauchenden Fahrzeugen in die Augen sehen. Meine Augen sind jedenfalls weit aufgerissen ob der uns rechts und links schneidenden Wagen.
Mit dem linken Fuß trete ich auf eine imaginäre Bremse, spanne die Bauchmuskeln an. Ich widerstehe der Versuchung mich an dem Haltegriff über mir festzuklammern und lege meine Hände locker übereinander. Meine Gesichtsmimik ähnelt der, nach einem missglückten Total-Lifting. Unter totaler Spannung in alle Richtungen, bei lächeln auf Widerstand stoßend.
Und nicht dass immer alles gut gehen würde. Auch heute kommen wir an 3, 4 Unfallstellen mit zwei zerknirschten Fahrern vor zerbeulten Autonasen vorbei.
Nach 20 Minuten sind wir schon in einer belebten Straße der Innenstadt und ich erkenne meine Verabredung an der Straße stehend. Flatternde Kleidung in Erdtönen. Sie steigt zu uns und wir fahren in eine Straße mit vielen Bäumen und Villen älteren Datums. "älteren" heißt bröckelig, nie in Stand gehalten, sondern dem Vefall sich selbst überlassend. Auch einige unbewohnt.
Hier ist ein Waldorfkindergarten. Ich habe vor bei der Leiterin um einen Voluntariatsplatz in Küche und/oder Gruppe anzufragen.

Sie hat, wie noch andere Erzieherinnen, einen langen Rock an. Als Ausgleich quasi, dem Landesgeschmack Rechnung tragend, ein T-Shirt mit Pailletten vorne drauf gestickt. In gold natürlich.
Sie lädt mich ein, an dem Wochenendausflug mit Übernachtung in den Bergen der Schulabgängergruppe, teilzunehmen. Mein Ehevertragspartner ist auch herzlich willkommen.
