Reparaturen

 

 

Eine kleine staubfarbene Eidechse schlängelt sich am Bordstein entlang. Ein Mann in Polizeiuniform versucht sie mit einer Schaufel von der Straße auf den Bürgersteig hochzuschieben. Ein Straßenfeger an seinen Wagen gelehnt schaut lächelnd zu. Ich bleibe stehen und sehe auch zu. Es gelingt und er dirigiert sie weiter zu einem Gully mit löchrigem Deckel. Da schubst er sie rein. Ich schreie leise auf und sehe wieder hoch, über mir ein sanft lächelndes Gesicht eines älteren Mannes. Ein Muslim im weißen Kittel und weißer Kopfbedeckung. Die Augen voller Lachfältchen. Mit dem Kopf  halb nickend schließt er kurz und beruhigend seine Augen.  Alles ist gut, alles geht seinen richtigen Gang, scheint er zu sagen. 

Das muslimische Viertel hält sich tapfer in seiner bröckeligen Zweigestöckigkeit. „Wie lange noch?“, jaulen Touristen und die Ausländer community auf.  Die Geschäfte verkaufen Nüsse und Trockenobst. Suppenküchen viele und das übliche Sammelsurium von Haushaltsratgeschäften. Elektronik und Handwerksbetrieben wie in einer Kleinstadt noch verbreitet, bunt, lebhaft, erfreuen das Auge. 

Beim Schuster sitzt die kleine Tochter vorne und macht Hausaufgaben. Ich habe wertvolle H&M Stiefel von 2008 mitgebracht. Tod’s zog mit dem Modell „Fall/Winter 2010“ nach. Gabs aber dann in ganz Europa nicht in meiner Größe.

 In Äthiopien trug ich sie täglich und dort haben sie ihre Absatzbelege in den rough roads verloren. Einer. Der andere Belag ist von den Steinen in den Absatz reingedrückt. In Düsseldorf haben die Schuster sich geweigert daran etwas zu arbeiten. Sogar Mister Mint. 

 Auch wenn ich sie jetzt nicht tragen werde, sollen sie  wieder in Ordnung gebracht werden. Deswegen sind sie mit nach China gekommen. Ich werde mich keinesfalls von diesen grauen Stiefeln trennen. In Wien habe ich in einem Kurzwarengeschäft Ripsband für sie als Schürsenkel gefunden. Februar 2012. Sie stehen also kurz vor ihrer Vollendung.

 

Während der Schuster sich den Absätzen widmet, teile ich mir mit seiner rotbackigen Tochter meine Mandarinen. Dann will ich noch Schnürsenkel für Trekkingstiefel. Längere leider als er zu bieten hat. Er bedeutet mir, mich zu setzen und fährt mit seinem Elektroroller davon.

Ich photographiere sein Töchterchen bei den Hausaufgaben, eine Nachbarin mit ihrem Hund, noch einen Hund beim Beinchen heben an den auf den Bürgersteig gestellten Blumentöpfen einer Anwohnerin. Dann ist der Schuster auch schon wieder da. Ich zahle und beim rausgehen schenkt er mir einen Apfel.

Die Schneiderin guckt kaum auf als ich ihr die Ärmel meines Mantels hinhalte und schneidende Handbewegungen zum Zeichen des Kürzens versuche. Lachend wehrt sie ab.

Ich ziehe den wertvollen grauen Übergangsmantel aus, Wollanteil 56%, von Mango am Kudamm, 39,99  und setze mich vor ihre Tretnähmaschine. Aus meiner Handtasche hole ich einen kleinen zusammen steckbaren Nahttrenner. Ich wende die Ärmel auf links und trenne die Naht des Ärmelfutters auf. Das dauert einiges. Jemand hat zum sichern der Naht 6x vor und zurück genäht. Macht ja auch Spaß. Dann trenne ich die zusammengefassten unteren Kanten auf. Ich  gehe um die alte Maschine herum zu ihr und lege die Stoffkanten an das Nähmaschinenfüßchen. Ich zeige auf den Knick auf dem einmal rundherum genäht werden muss.

 Die Schneiderin nimmt den Stoff und nickt. Als die Naht fertig ist nimmt sie eine Schere und sieht mich fragend an. Ich nicke. Sie lässt fachmännisch eine kleine Nahtzugabe stehen und näht per Hand die Kanten(Oberstoff und Futter) zusammen. Dann zieht sie den anderen Ärmel durch die geöffnete Futternaht. Ruckzuck ist sie fertig und schreitet zum ausbügeln der Nähte mit ungeheuren Dampfschwaden. Perfekt.  Wir lachen uns beide erleichtert an.