mehr risk

Ich hab noch nicht genug.
Seit zwei Wochen haben wir jeden Tag über 40°C. Halb 9 morgens, 37°. Da sollte dann das Wisch/Markt/Sportprogramm erledigt sein. Klappt natürlich nicht. Im Sinne von Nie. Auch ohne Bewegung läuft der Schweiß einfach so von der Stirn bis tropf, tropf auf den Boden. Den Körper auf 36,6° runterzukühlen bedeutet einen hohen Energieaufwand, sagt Müller-Wohlfahrt, deswegen kommen seine Jungs zuerst in den Kaltraum.
Meine Klimaanlage ist auf optimistische 25° eingestellt. Sie schafft es bis auf 29°. Da zieh ich mir dann schon ein Strickjäckchen über.
Vom Bus fahren bin ich bei dieser Hitze nicht mehr ganz so begeistert. Polyesterverklebte Leiber dicht an dicht, Fahrtwind voller Abgase aus allen geöffneten Fenstern sind eine Erfahrung, die wohl alle in dem Bus täglich und nicht freiwillig, wie ich machen.
Vor einigen U-Bahneingängen wartet eine Anzahl von Motorrollern. Erst wird der Preis verhandelt, dann geht’s los. Auch an Bushaltestellen wurde ich schon angesprochen.
Jetzt war es echt soweit. Nach langen Fußmärschen zu meinem Ziel, Einkäufen in einer Shopping Mall, nerv hoch drei, und schon 6 Uhr und 13km von meinem Appartement entfernt, bin ich eine leicht Beute. Aufmunternd klopft der Mann auf seinen Rücksitz. Vorbereitet bin ich ja. Auf einem Karton hat mir Honxia in Chinesisch: Bitte bringen Sie mich zu der nächsten U-Bahnstation, geschrieben und ich habe Tesa drüber geklebt. Es soll lange halten.
Kurz grusele ich mich und wehre mich dagegen, dass es schon soweit ist. Noch nicht heute, noch nicht jetzt gleich, aber er lächelt mich offen und freundlich an. Wenn es ihn nicht gruselt mich dahinten drauf zu haben mach ich das jetzt. Handtasche über die linke Schulter, Papiertasche mit zu kurzen Henkeln für die Schulter mit der rechten Hand an mich gerafft, schwinge ich mich auf den Sozius. Damensitz natürlich. Hab ich hier gesehen und kann ich noch von Nepal auf Klausens Dienstfahrzeugs-Honda.
Also mit der linken Hand an einem Bügelgriff festhalten, linken Fuß auf Trittbrett, Hüfte drehen und Po nach und hochziehen. Tja und los geht’s. Im Feierabend-Berufsverkehr. Ich halte mich in seinem Windschatten und will nicht hin und herwackeln. Er hat da vorne schon genug zu regeln. Abbremsen und fahren und durchschlängeln. An Ampeln stehen wir auf dem Zebrastreifen mit Fußgängern um uns herum. Manchmal haben wir eine Extraspur ohne Autos. Die Straßen sind voller Bäume, die Sonne scheint noch, der Wind ist herrlich frisch heute Abend. Es macht Spaß durch die Straßen zu fahren. Aber mir ist schon klar, dass bei einem Sturz, auch einem kleinen, ich noch lange was von den Schürfwunden an Armen und Beinen haben werde.
Also es muss die Ausnahme bleiben.
So geht es 20 Minuten. Manchmal kommen mir die Tränen vor Anstrengung, manchmal ist es toll. Schade dass mich niemand sehen kann. Ich hab mein französisches Kleid an. Ich nenne es so. Es ist weißgrundig mit schwarzen, rosa und lavendelfarbenen Seifenblasen, die nach oben weniger werden. Es ist für meine dicken Knie eigentlich zu kurz und ich denke während der Fahrt daran es sobald wie möglich mit einer schwarzen Blende zu verlängern.
Plötzlich steht eine Kastenfahrradrikscha vor uns und wir fahren nicht Drumherum, sondern der Fahrer bremst ab. Warum? er dreht sich zu mir herum und weist mit seiner Hand einen großen Bogen ausführend zu dem Bürgersteig. Wir sind da. Da ist der Eingang der U-Bahn. Ich bin so erleichtert. Es ist alles gut gegangen.
