Nachbarn
kennen lernen geht gar nicht. Sagt der Übersetzer und Fahrer.
Ich will in unserem Haus überall klingeln und mich vorstellen. Will man nicht wissen mit wem man zusammenlebt? Tür an Tür?
Nein, auf gar keinen Fall. In seiner Wohnung will man seine Ruhe haben. Man lädt auch niemanden nach Hause ein. Man klingelt auch nicht, weil es keine Klingel an der Wohnungstür gibt.
Nur unten an der Haustür, mit Kamera und Code.
Man klopft auch nicht und man geht schon gar nicht in eine Wohnung, wenn man die Leute nicht kennt. Wer weiß wer sie sind. Vielleicht böse Menschen, die dich verschwinden lassen.
Weil er mich so erschrocken ansieht verzichte ich auf das klopfen an der Tür gegenüber.
Wir treffen das Ehepaar mit Tochter ein anderes Mal zufällig und sie begrüßen uns fröhlich. Die Tochter ruft Hello und winkt mir verschwörerisch zu.
Aus der Tiefgarage kommend, also Autobesitzer, treffen wir im Fahrstuhl auf einen perfekt Englisch sprechenden Mann mittleren Alters. Der steigt im 4. Stock aus. Wir fahren hoch und holen unsere neuen Visitenkarten und….klopfen bei ihm. Er öffnet hocherfreut und bittet uns zum Tee herein.
Unten wohnen ältere Leute, die offensichtlich ihre Enkel großziehen. Wir machen immer ein bisschen Spaß mit den Kindern und winken uns zu, wenn wir uns auf dem Gelände begegnen.
Ich werde gefragt ob ich Englischlehrerin für ganz kleine? Kinder bin. Auch das, wenn es gewünscht wird. Es handelt sich aber wohl nicht um ein Jobangebot, als vielmehr um Konversation.
Bei einer Dokumentation der Stadt Deauville an der Cotes Fleurie in der Bretagne fällt mir die schöne alte traditionelle Bebauung der Küste auf. Man ist dort nicht der Versuchung erlegen die Strände entlang 20stöckige Hochhäuser zu errichten. Eine exklusive unproletarische Bebauung eigentlich. Und das in einer Demokratie. Mit durchaus starken sozialistischen Anteilen im Staatsgefüge. Wogegen in Spanien, einer zwar nicht immer starken Monarchie, jedoch gesellschaftlich gut verankerten, die Küsten mit Bettenburgen für einen bezahlbaren Urlaub für jedermann zubetoniert sind.
Die Wohnanlagen hier in dieser Stadt sind sehr unterschiedlich. Es gibt ganz homogene compounds. Eine Villa wie die andere. Eine 3Zimmerwohnung genau wie die des Nachbarn. Und die, die für jeden Geldbeutel etwas dabei haben. Wie früher bei uns die Grand Hotels. Ein Mansardenstübchen für den Lehrer und die Suite für den Würstchen- und Senffabrikanten. Soviel Nähe gibt es nicht mehr. In den kategorisien Sterne-Hotels
Auf unserem compound gibt es 1 Zimmerappartements und zweigeschossige Wohnungen mit Galerie und Kronleuchtern. 245qm. Gardinen schön offen, damit auch alle was davon haben und konspirativ ist hier natürlich nichts, soll das heißen. Offensichtlich sehr arme Bewohner und recht wohlhabende, die jedenfalls landesstypische Insignien ihres Reichtums großzügig herzeigen, leben hier dicht zusammen. Handtaschen, operierte Kulleraugen, BMW, Audi, Range Rover sollen für sich sprechen.
In China kann man noch immer Land, Baugrund nicht wirklich besitzen. Nur die Erlaubnis der Bebauung kann erworben werden. Für einen bestimmten Zeitraum. Auf einer Strecke von 10km Richtung stadtauswärts zählt man 100 Baukräne. Jeder möchte eine Wohnung kaufen. Ohne Wohnungsbesitz braucht man sich auf dem Heiratsmarkt gar nicht umschauen. Und dann wird weiter für die nächste gespart. Eine bessere, größere. Die erste steht dann leer. Sie wird nicht unbedingt weitervermietet.
Kurios: in einer Erdgeschoßwohnung praktiziert ein blinder Masseur. Im Erdgeschoß eines anderen Hauses auf unserem compound stehen viele runde Tische, abends vollbesetzt mit Kartenspielern.