Jetzt habe ich etwas gemacht, was auf gar keinen Fall vorkommen sollte. Schließlich ist die Stadt so groß nicht und ich hab ja auch ein Fahrrad. Aber, es regnet doch recht häufig und so kam es wie es kommen musste, ich bin Rikscha gefahren.

Niemand findet die Typen, die in deutschen Großstädten ihre Rikschafahrt anbieten blöder als ich. Als Preuße putzt man seine Schuhe selber und auch ein Mann, gerade ein Mann, macht sich nicht von Hilfsdiensten und -kräften abhängig, weil er keinen Faden durch ein Nadelöhr bringt. Mein Vater, meine Onkel legten jedenfalls größten Wert darauf in der Lage zu sein, ihren Socken selber stopfen zu können und mal ein Hemd zu bügeln. Ihre Frauen hatten auch eh andere Interessen.

Hier gehen die Uhren anders. Ein öffentliches Nahverkehrssystem in einer unter einer Million Stadt in China hat noch nicht die über hundertjährige Tradition wie in Europa. Es gibt drei Buslinien, den dreier, den fünfer und den einer. Die asphaltierten, breiten Straßen sind auch noch nicht so alt in der Provinz, wo wir uns hier befinden, um nicht zu sagen niegel-nagel neu hier gerade fertig geworden , nach Urteil des Fachmanns an meiner Seite.

Also, alle fahren Fahrradrikscha. Alle, die z.B. nicht Fahrer in einem dicken Longedition LI BMW, Sonderanfertigung in China und bisher nur in China erhältlich  sind, wie Mütter mit Einkäufen und Schulkindern, Angestellte mit Labtop, Angestellte mit Tee-to-go,  Oma und Opa, die Händchen haltend aus dem Krankenhaus kommen.

Ergiebig für „Knöpfchenkaufen“, nach Tucho in Schloß Gripsholm ein Frauenphänomen, ist  eine Markthalle mit Lädchen über drei Stockwerke, ein Vorläufer der shopping malls mit ihren internationalen brands, mit kleinen unabhängigen Anbietern in endlosen Gängen und Quergängen. Die liebenswerteste Art hier einzukaufen. Schlosserartikel, wie Hammer und Sichel und Fahrradschößer,  Schneider natürlich, Kleinmöbel, Unterwäsche, Lampions, Kosmetik, Schreibwaren, Porzellan, Bekleidung und sehr viele Handtaschenstände. Frage: Wie viel Handtaschen braucht eine Frau?

 Antwort: Vier,  - jede Saison.

Ich hatte schwarzes Garn, eine Porzellanschüssel mit blauen Fischmotiven für Obst, zwei viereckige Teller, 10 Kleiderbügel, getrocknete Früchte und in der Schale karamellisierte Mandeln gekauft, komme aus diesem Gewirr von Gängen und es regnet mal wieder. Viele Rikschas warten auf Kunden und gleich vorne, nickt mir eine Frau ermunternd zu und klopft auffordernd auf den Holzsitz. Sie hat eine rote, kurze  Lederjacke , enge mit Glitzersteinen verzierte schwarze Jeans an, kurze, schwarze Haare und ist nicht viel jünger als ich. Also ca. Anfang vierzig.

Ich stell meine Tüten auf den Sitz, zeige auf die Anschrift in chinesischer Schrift der Visitenkarte des Hotels und während ich hoch auf die Bank steige seh ich ihr tief in die Augen und frage nach dem Preis. Ohne langes Getue macht sie das Handzeichen für 5 und sagt „Wo“ dazu, das w wie das englische w ausgesprochen.

Mehr kann ich nicht von mir verlangen. Alles läuft ja wie lange schon von ihr und mir eingeübt.

Die Fahrt durch den Verkehr ist herrlich mit dem Wind und Regen dazu im Gesicht. Sie tritt mit ihren Gummistiefeln ordentlich in die Pedale, stoppt nie, geschmeidig und mutig beim links abbiegen sich einfügend, rumpeln wir über die Brücke vor der Hoteleinfahrt. Bis zum erhöht angelegten Eingang soll sie mich aber nicht fahren.  Dafür brauch ich noch ein bisschen mehr standing hier.

Ich zücke einen 20er Schein und sie gibt mir einen 5er und 10er zurück. Also den Streckenpreis kenn ich jetzt schon mal.