Mit einer jungen Frau mit Kind und unübersichtlichen Nebenpersonen winken und knipsen wir uns während wir an einem Tisch auf dem Bürgersteig abends essen.

Einige Abende später kommt sie fröhlich mit ihrem Mann an unseren Tisch mit 2  Bierflaschen. Wir bekommen unsere Gläser aufgefüllt und wir prosten uns zu. „Kombei, Kombei, Chess“ Heißt cheers. Das Bier hat 2,5%. Und in die Gläser passt vielleicht die Hälfte von 0,1l. also ziemlich harmlos. Sie möchten uns zum Essen einladen.

 Große Telefonnummeraustauschaktion. Anlass für Klingeltöne-, Apps- und was weis ich für Gezeige und Vergleiche. Ich speichere sie unter Abendessen. Würde da was draus? In Brasilien hätte ich gesagt, eher nicht.

Zwei Tage später bekomme ich eine SMS von Abendessen in chinesischen Buchstaben.

Abends fällt mir die SMS wieder ein und ich zeige sie einem Kellner mit rudimentären Englisch Kenntnissen, den wir schon länger kennen. Er wird knallrot und sagt er würde zum Essen kommen, aber er wäre allein, kein Paar. Und verbeugt sich und dankt und guckt sehr streng und ernst und ganz durcheinander zu seinen vier bis sechs Kollegen, die nie weit sind.

Gut das war das. Mal wieder Riesen Verwirrung gestiftet, die „Alten Ausländer“, so werden sie genannt, seit mehr als 100 Jahren. Er war ziemlich erleichtert, dass wir gemeint waren und nicht er.

Zurück geSMSt  habe ich in Englisch. Nach einer Stunde gingen die SMS dann auch auf Englisch hin und her. Wir sollten am nächsten Abend am Hotel abgeholt werden. „To have dinner with us“.

Was zieh ich an? Wenn sie reich sind oder sich so fühlen, ist egal. Aber in einem kleinem Appartement, vielleicht noch mit den kommunistischen Eltern in fröhlicher Enge?

 Wie kam die Frau rüber? Schwarze Hose , helles Oberteil, schwarze durchsichtige Chiffonjacke.

In meiner Version ist das eine schwarze Caprihose, ärmelloses Teil vom Markt hier, mit Blockstreifen beige/grün/schwarz und Glitzersteinchen und eine zwei Nummern zu klein gewordene schwarze Chor-Einknopf-Jacke, offen getragen. Das wär abgehakt.

Jetzt Geschenke.

Ich denke ab Mittags darüber nach. Für das Kind sollte auch was dabei sein.

Um 4 gehe ich in die Liuxi Lu. Ich komme an drei nebeneinander liegenden Blumengeschäften vorbei und kaufe eine einzelne Rose über deren Knospe wie bei den Nashi Birnen  ein Plastiknetz gestülpt ist. Eine durchsichtige Plastkhülle und ein hellblaues Schleifchen machen sie reisefein. In einem Weingeschäft  kaufe ich einen Bordeaux zu 385RNB, wozu ich noch einen knallroten Korkenzieher geschenkt bekomme.

An der Fußgängerbrücke kaufe ich ein Windrad. Schwer zu beschreiben, es drehen sich acht kleine Räder mit Biene Maja Gesichtern. Es weht ein starker Wind. Die acht Räder an der rosa Plastikstange drehen sich wie verrückt. Ich werde komisch angesehen. Auf unserer Seite der Brücke steht der Afghane mit seinen Lammspießchen. Es ist viertel nach 5. Wer weiß was der Abend noch bringt. Ich kauf mir einen Spieß und esse ihn im weitergehen. An der nächsten Mülltonne entscheide ich mich, den abgeknabberten Spieß mitzunehmen. Für die Kapuzinerkresse, eventuell, und stecke sie in die Geschenketüte zu dem Bordeaux.

Komme mir gut ausgestattet und großzügig vor. „Das ist nur eine Kleinigkeit“ beim übergeben eines Geschenkes, gibt es auch im chinesischen. Man sagt beim überreichen

 „Ein bisschen kleine Bedeutung“.

17::55 klingelt unser Zimmerapparat. „Ihre Freunde wollen ihre Freunde abholen“

Ich entscheide mich in letzter Sekund gegen die High Heel Sandaletten. Lieber die flachen Allrounder.

Zwei Männer kommen uns im Eingang entgegen. Den wir kennen und ein jüngerer. Der ist Englisch Lehrer in einem Dorf und der Lehrer der Schwester der Frau mit dem Kind.

Er spricht das beste Englisch was wir bisher gehört haben. Und heißt Mao. Eltern mit Wunsch zum Bekenntnis. Wir sind mitten im Land angekommen, scheint mir.

Der Wagen ist natürlich riesengroß, später gesellt sich noch ein weißer BMW, LI natürlich, der Frau dazu. Jetzt fahren wir erstmal zu ihrem Geschäft. Er leitet eine Schule, vertreibt Jalousie Garagentore und seit zwei Monaten hat er ein – tja, ein Weingeschäft, mit ausländischen Weinen, Honig, Tees aus der Region und manchen Spezereien, undefinierbares eben. Knollen und Wurzeln,in aufwendigen Kisten und kleinen Schachteln.

Komme mir nicht mehr so gut ausgestattet vor mit diesem Wein. Eher uninspiriert.

Das Windrad ist gut, die Rose bisschen schwach, finde ich jetzt. An einem runden Tisch gibt es Wassermelonenscheiben, grünen Tee. Wir bewundern die Weine, wir sollen welche zum Essen aussuchen, wir bewundern die Spezereien, wir bekommen sie geschenkt. Jetzt ist aber Schluss, es stehen exorbitante Preise drauf. Wir können das gar nicht würdigen, in einem halben Jahr vielleicht. Gut, gut wir fahren jetzt erstmal zum Essen. In ein Restaurant. Die Frauen fahren mit dem BMW nach.

Nicht weit entfernt. Wir gehen eine Treppe in den ersten Stock, eine weite Lobby erstreckt sich, alles Marmor, Flure gehen ab, Spiegel an den Wänden, total nicht einschätzbar ob groß oder nur mittel, Frauen in irgendwas in Mocca/Goldoutfits gehen freundlich lächelnd hier und auch dorthin. Eine gut besetzte Rezeption begrüßt uns. Wir werden geführt, begleitet an unzähligen Türen vorbei. Eine öffnet sich doppelflügelig für uns. Ein festlich gedeckter runder Tisch für 8. Alles in Burgunderrot, ein Stuhl in Blutrot mit Blick zur Tür. Der beste Platz, mit Rücken zum Fenster. Zu dem wird Klaus aufgefordert, daneben ich, der Lehrer, der Gastgeber, das kleine Töchterchen,4 Jahre alt, im September kommt sie in die Schule, die Ehefrau, dann die Schwester, aunti genannt.

Es ist Sitte bei uns, sagt der Lehrer, dass die Gäste die Speisen für das Essen zu dem sie eingeladen sind aussuchen. Bitte, kommt und sucht für uns aus was wir heute gemeinsam essen werden.

Ein türloser Bereich mit einem sprudelnd, gurgelndem Aquarienteil. Fußballgroße Krebse, Becken mit Aalen, Fische in allen Größen, Kaffeekannengroße Schnecken mit einem herausragendem Zylinder wie ein Schornstein liegen hinter blitzeblanken Scheiben zum aussuchen bereit.

Gut , ich muss jetzt keinen Wettbewerb in creativ writing an einer nordamerikanischen Kleinstadtuni gewinnen, noch werde ich nach Seiten bezahlt, ich sage nur noch soviel:        wir haben ausgesucht. Und die Zubereitung mit dem Koch durchgesprochen. Das gehörte auch dazu. Es war ein gemeinsamer Entstehungsprozess.

Nur ein Gericht in Statthalterschaft für all die anderen. Kleine Aale dunkel, waren als heller Teig mit Kräutern identisch in der Größe nachgeformt und schwammen in perfect ying und yang  in einer gekräuterten Brühe mit Spinatblättern wie in einem kleinem Teich.

Knusprige Entenhaut, saftiges Schwarzhuhn  , der Reize waren derer immer neue.

Harmonisierend auch das warme Bohnengetränk. Schmeckt die ganze Bandbreite von dezent getreidig bis gar nichts.

Dank Mao dem Lehrer wurde sich ununterbrochen unterhalten. Es gibt schon Pläne die Schule zu besuchen, ins Dorf zu der Familie mitgenommen zu werden und Klaus und ich denken dran China flächendeckend mit deutschem Moselriesling zu versorgen.

Dann wurde gefragt wer noch Reis möchte oder eine Maissuppe. Diesmal nicht, waren sich alle einig.

Dann waren wir wohl fertig, dachte ich. Wir könnten jetzt zum Füße waschen gehen, einverstanden? Wenn die Antwort ja, oder nein ist, tendieren wir zu Ja.

Die Frauen kamen wieder nach. Meist werden einem die Reste noch zum mitnehmen zusammengepackt. Dont waste food. Eine Errinnerung an die Folgen des „Großen Sprung“s wahrscheinlich. Um China in das Industriezeitalter voranzubringen, wanderten die Bauern in die Städte zu den Produktionsstätten, mit der Folge dass nicht mehr genügend Nahrung produziert wurde und schon gar nicht die wachsende Bevölkerung der Städte versorgt werden konnte.

Wie wir Preußen auch nicht Nachkriegsjahre und Hungersnöte vergessen wollen und ziemlich fassungslos dem Brotkügelchen-schmeißen von Südeuropäern gegenüber stehen. 

Auch dieser Ort war kein Vergleich zu dem was wir bisher in aller Bescheidenheit mit Otto Normalverbraucher gemeinsam erleben durften.

Marmor, Flure, Spiegel, Türen, dahinter kleine, große Räume mit zwei Sesseln, dreien, vieren und ein Raum ganz am Ende mit vielen Sesseln, Hockern davor, die Sessel ganz in die Waagerechte zu verstellen. Gleich kam ein junger Mann mit Wassermelonenscheiben, Tee. Die Sessel mit Kissen, Decken ausgestattet, kleine Tischchen dazwischen. Jeder kuschelte sich sofort ein, Handys raus, gedämpfte Unterhaltung, Flachbildschirm natürlich an. Mal knackte einer ein, mal wurde sich mit dem Kind beschäftigt. Total entspannt.

Erinnert mich an das Wehklagen meines Vaters nach einem guten Essen. Warum es sich eigentlich bei uns nicht eingebürgert hätte, ein Festmahl im liegen einzunehmen, wie bei den alten Römern üblich. Hätten die es gut gehabt auf ihren Kanapees und Chaiselongues. Tiefes seufzen und Kopf schütteln zu meinem Vater hin, war meiner Mutter Kommentar, kichern und Hand tätscheln seine Antwort.

Jetzt kommen die Bottiche mit dem kochenden Wasser. Wir kennen das ja schon in einer Light Version.  Während die Füße abgekocht werden, wird massiert. Sitzend, halb schlummernd in dem weichem , dicken Sessel. Warum sind die Sessel so superweich und die Matratzen im Bett Holzkisten?

Halb 12 fahren wir am Hotel vor. Mit zwei Geschenketüten in der Hand verabschiedet sich unser Gastgeber DaRong und Jing. Diese Wurzel-Spezialität und noch ein Kasten mit zwei Gläsern regionalem Honig.

Nach einem besonderen Essen zu dem Jiangs in Düsseldorf einluden, sagte Ute Kessler danach zu mir, das kann man ja nie wieder gutmachen.

So fühle ich mich jetzt auch.

Aber man kann es ja versuchen. Mal sehen was mir da einfällt.