Auf einem Elektroroller fährt eine junge Frau vorbei. Sie trägt einen weißen mit silbernen Glitzerblümchen verzierten Frisierumhang mit Ärmeln.

Schleife unter dem Kinn, rundherum ein angekrauster Volant. Unter dem Frisierumhang ein grünes Plisseekleid Ein üblicher Anblick.

Ich wende den Blick in eine Strasse, die ich quere. An einer Hecke vor einem Haus steht ein alter Mann mit einer Schüssel auf dem Kopf auf die er im schnellen Rhythmus einschlägt. Mit der anderen Hand hält er eine Flöte an den Mund und fabriziert begleitende Töne. Das sind  exotische Anblicke, ein Moment manchmal wie in einem „fantasy land“. Aber es ist ein echtes Land mit echten Menschen in dem ich mich befinde.

 Ich hoffe auf ein Foto ohne dass er etwas davon mitbekommt. Aber schon eilt er auf mich zu und redet in fordernder Weise auf mich ein. Ich gebe ihm 3RNB. Er scheint nicht einverstanden, nicht zufrieden und zählt die Geldstücke von einer Hand in die andere, sieht dem in meiner Handtasche verschwindendem Portemonnaie  hinterher. Vielleicht viel zu wenig für den alten Künstler, oder  vielleicht Geld überhaupt unangebracht. Vorbeigehende lächeln und geben ihm nichts.  

Kein Gegenstand, den ich gekauft habe der nicht am nächsten Stand oder Geschäft begutachtet wird und ich streng gefragt werde was ich bezahlt habe. Man war aber immer zufrieden mit mir. Das liegt daran, dass ich nur ein Herz für Handwerker und echte Produzenten habe. Die Wiederverkäufer, die den ganzen Tag ein Mädchen oder einen Jungen hinter den Tresen setzen, um Dosen und sonstiges Nichtverderbliche, Getrocknete zu verkaufen, beißen bei mir auf Granit.

 Aber bei einer Schneiderin, die sich sofort selber an die Nähmaschine setzt, oder einer Bäuerin, die bei Sonnenaufgang ihr Gemüse erntet und für den Markt verpacken muss, zweifele ich ungern den Preis an, den sie mir nennt.

Großer Preisvergleich beim footwashing mit der Chefin. Sie ist aus Saigon. Mein Kleid hat bei der Schneiderin 300 gekostet, ihres 335. Dafür hat ihrs aber auch 6 Knöpfe, gold, und am Saum eine Lochstickereiborte. Bei meinem ist das Rückenteil aus Spitze. Wir wägen ab. Mir wird bescheinigt „ok“ gezahlt zu haben.  Das taubstumme junge Mädchen bekommt Besuch von fünf Typen aus ihrer Taubstummenklasse. Sie machen einen großen Radau und werden von ihr wieder hinausgeschoben, die Tür sorgfältig geschlossen. Wir sitzen wieder in einem Kühlschrank bei lauwarmen Tee mit Lakritzgeschmack. Welches Kraut ist das noch? Irgend ein Bergkraut.

 Draußen sehen wir die Jugendlichen rumblödeln.

Jetzt doch Schnupfen. Kalte Fliesen sind unangenehm, AC wird nicht mehr angestellt.

 Mutiger Aufbruch in eine Kräuterapotheke. Mache Schneuzgesten und versuche es mit“ Cha, Tea“.  Timpetong.  Huste.  Bekomme Schachtel mit Tabletten. Nein. Bloß nicht „Bu“ sagen. Das geht nur in Verbindung mit einem vollständigen Satz, oder zumindest mit einem Verb. Kann ich grad vergessen, wenn ich nicht mal einen Einsilber verständlich betone. Vielleicht sollte ich die Peter Ustinov Nummer machen. „ich komme aus einer nördlichen Provinz, die hier unbekannt ist“.  Zeige auf Nebenhöhlen und mache Geräusche dazu. Schulterzuckend bekomme ich eine Hochglanzplastiktüte mit eingeschweißten Beutelchen gereicht. Drücke daran herum. Sweet?  „Yesse. Powder”  Aha, Englisch.  Von wegen timpedong, oder wie wir Holländer sagen, Kannnitverstahn.   “ OH, no, No sugar, not sweet“

ITranslator für Kräutertee bringt mich dann doch noch in die privilegierte Nähe der rückwärtigen Vitrine mit ihren 1000 Schubladen voller Wurzeln, Samenkapseln und Unvorstellbarem auf der hohe blauweiße Vasen mit Deckeln thronen und weitere Steigerungen geheimnisvollster Ingredienzien ahnen lassen.

 Gnädig wird eine kleine Plastiktüte mit Stroh hellen Stengelchen vor mich gelegt. Ich will dran riechen und sie soll geöffnet werden. Wird gemacht, wobei der wieder verschließbare Verschluss abreißt. Ich rieche, nicke, rieche nix bekanntes soweit ich das noch beurteilen kann, sehe mich suchend an den Etiketten mit ihren drei, vier Buchstaben, chinesischen natürlich, der Schubladen entlang. Es wird mir ein weiters Beutelchen gereicht. Mußkatnuß?  Nein. Schrumpeliger, aber steinhart. Noch eins mit Scheibchen wird nachgelegt. Und eins mit Wurzelstücken. Scheibchen und Wurzeln hellgelb. Freiwillig wird mir die Dosierung mit Mengenproben aus den Beuteln in meine geöffnete Hand gestreut. Ich hab dann auch noch was zu fragen. Ich nehme eine der harten ovalen Dinger, lege sie auf den Glastresen und deute mit meiner geballten Hand Hammerschläge auf die Kullern an. Kopfschütteln. Ich gieße mit meiner Hand heißes Wasser in meine andere Hand. Kopfnicken. Dann wär ja alles geklärt.

Schweißgebadet bereite ich den Tee im Hotel zu und spendier mir noch ein Stück von dem vor zwei Monaten gekauften frischen Ingwer dazu, klein geschnipselt.  Das kochende Wasser verwandelt die Bestandteile in Stängel mit Blumenköpfchen, das harte Ding in eine schwabbelige Frucht.  

Der Heilungsprozess setzt unmittelbar bei der Zubereitung ein.