Hongkong, du alte, du ewige Braut Kolonialbrittaniens. Jetzt mit Mickey Maus Ohren gestrig aufgehübscht, vekindlicht zum ewigen Disneylandbewohner verdammt.

Gut genug für einen Wochenendtrip mit wohligem Schauer einen unverständlichen Kontinent durch ein rauchig beschlagenes Glas Gin Tonic zu betrachten. Du Hongkong Skyline an der Perlflussmündung.

 

Einst duftender Hafen für die foreign fabrics, jetzt Zeugnis der zu Beton gewordenen menschlichen Geldgier.

 

 Angeregt zu diesen schwülstigen Gedanken wurde ich  bei der Erinnerung an einen Hongkong Film der 90er, vor der Übergabe an China entstanden, „Chinese Box“,  mit Jeremy Irons und Gong Li. (Ich bete jeden Film an, indem Gong Li mitspielt. Besonders“ Miami Vice“. Mit Colin Farrell und Jamie Foxx.) Voller Metaphern auf die Hongkong/England Beziehung. Das neue selbstbewusste „junge“ Hongkong durch Maggie Cheung verkörpert.

Hier wollte ich mal heiraten. Abgesehen davon, dass ich bei unserer so-called Hochzeitsreise, meine Eltern hatten sich gerade nach einem sechswöchigen Besuch des gerade einen Monat verheirateten jungen Paares verabschiedet, schon verheiratet war, stellte sich mein Mann nach drei Ehemonaten als Spießer heraus, der seinen Urlaub nicht überziehen wollte und eine mir vor der Eheschliessung in Aussicht gestellte Schiffahrt von Madras nach Hongkong, deshalb nicht stattfinden konnte.

 Da ich jede Form unbürgerlichen Lebensstils für mich als enorme Energieverschwendung betrachte, passten wir gut zusammen.

 Nach 26 Ehejahren schon in Vergessenheit geraten, fiel  uns Hongkong durch die staatlich verordneten Ferientage, unserer Meinung nach, fast zwangsläufig vor die Füße.

Dehydriert und ausgehungert hält mich auch halb zwei Uhr nachts nichts davon ab Zimmer anzusehen, zu vergleichen und einen deal abzuschließen. Dieser hier war, dass wir am anderen Tag ein größeres und höher gelegenes Zimmer beziehen könnten. Natürlich geht das nur, wenn die Stimmung so ist, dass man den Eindruck hat, es würden auch noch 10 weitere Zimmer gerne gezeigt und beschrieben werden. Das war hier so.

 Ein Restaurant hatte gegenüber bis 02:00, last order, geöffnet. Drei, vier Männer der arbeitenden Bevölkerung schlürften noch ihre Suppe, wir wurden herzlich willkommen geheißen und Suppe mit Krabben und Spaghetti mit Gemüse wurde frisch zubereitet.

Ich war überrascht. Kaum angekommen in Hongkong ist alles gleich so persönlich, so kiezmässig kommunikativ mit der Umgebung.

Moloch Großstadt. Was heißt das eigentlich?  Für wen ist das denn ein Moloch?

Die unmenschliche Großstadt wird in der Literatur doch vor allem als solche von dem jungen Mann, dem unerfahrenen Neuankömmling mit den hochgesteckten Erwartungen an diese Stadt so beschrieben. z.B. Mann ohne Eigenschaften, Berlin Alexanderplatz, Homo faber. Diese Jungs etwa.

 

 

 

 

 

Außerdem hilft es in der Fremde ein Alltagsleben zu führen, bloß nicht Urlaub mit was- Besoderem-leisten, oder gar Urlaub-vom-ich versuchen. Auch wenn man es sich noch so verlockend vorstellt. Alles Illusionen, in der schon so manche Ehen verlustig gingen.

 Also: joggen, wo die Bevölkerung joggt, oder Sport treibt, Zeitung kaufen, zum Pferderennen gehen, im botanischen Garten nach bestimmten Bäumen Ausschau halten, im IPhone Shop nach den aktuellen Verträgen für IPone5 fragen, ins Kino in einen chinesischen Film ohne Untertitel gehen, bei McDonald vor 8Uhr frühstücken,

 

in großen Familienrestaurants Sonntag zu Mittag essen,

ansonsten Expat- (expatriat=außerhalb des Vaterlandes, expert=Experte) Lieblingslokale (der kleine Franzose, Italiener an der Ecke) zu den Zwischenzeiten aufsuchen,

 

ÖPNV benutzen,

 

 

in die anglikanischen Kirche gehen, am Besten zum Gottesdienst, früh rausgehen und lieber Nachmittags schlafen. Ach ja, und wenn man schon zu den liegenden Buddhas und chinesischen Tempeln muss, die Frau, die am Eingang Blumen auffädelt, fragen, ob man mal ihr Handy benutzen darf um ein Taxi zu rufen.

 

 

 

Über einen Stadtplan gebeugt fragt uns ein etwa 70 jähriger Brite ob er uns weiterhelfen kann. 1.90m hoch, hager, wie aus der Prototypwerkstatt einer amerikanischen Filmproduktion. In einer der shopping malls, in denen man unweigerlich durchkommt von einer Straßenseite zur anderen, oder einer Metro Linie zur nächsten.

Da ereignet sich das.

Er lebt seit 40 Jahren in Hongkong. Er ist hilfsbereit, erzählt nicht zuviel, nicht zuwenig. Niemals hätte ich damit gerechnet. Mit hochnäsigem durch mich durch gucken viel eher. Schade dass wir nicht wenigsten versucht haben ihn für den Abend zum Essen einzuladen. Vorbei. Das ist das Melancholische am Reisen. Dass man nicht in alle Boote einsteigen kann, die da vorbeirudern.

 

Wie die alte Dame am Kiosk vor „Happy Valley“. Heute ist keine Rennbeilage in der Zeitung, informiert sie uns. Eigentlich wollten wir nur endlich mal eine Englische Zeitung lesen. Sie wohnt in einem der Hochhäuser in der ersten Reihe mit Blick auf die Rennbahn, die riesig mitten in sehr städtischem Umfeld liegt und auch für viele andere Sportarten täglich genutzt wird. Noch fünf Minuten länger mit ihr im Gespräch und wir hätten in ihrer Wohnung Tee zusammen getrunken. Die Szene hätte sich auch in Nizza abspielen können. Die Berge so hoch, das Meer so grün und blau, die Menschen urban, weltgewandt und dieser Zeitungskiosk mit gesprächiger, älterer Dame. Da muss man einfach ins „Saint Germain“ gegenüber gehen.

Mein erster Croque Monsieur seit '89. Die Welt hier ist noch in Ordnung.