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oder
In eienem Dorf ist immer etwas los
Morgens laufen viel mehr herrenlose Hunde auf der Suche nach fressbaren herum als noch zu Anfang, im Mai. Irritierend beim joggen, obwohl sie sich wirklich nur für die meist leeren Papierkörbe interessieren.
In einem Dorf ist immer etwas los, sagt eine Figur aus einem Krimi von Agatha Christie. Nur auf den Außenstehenden wirkt alles so geordnet und ja, „langweilig, nichts los hier„ sagt ein Kollege. Ich bin mehr die Frau aus dem Dorf in Cornwall oder Devonshire, die sich im Spannungsfeld mit recht unterschiedlichen Gruppierungen sieht. Und ich fand das schon immer sehr anstrengend.
Eines Tages treffe ich im Fahrstuhl die general managerin wieder. ( Vgl. I, 13) Die ehemalige. Sie wurde ja kurz nach ihrem Besuch bei uns ersetzt. Wo war sie die ganze Zeit? Immer im Hotel, sagt sie. Sie wohnt hier. In einem Zimmer mit ihrem Mann. Er wartet in einem schwarzen Peugot 600 irgendwas, am Eingang auf sie. Wir verabreden uns zum Englisch lernen für den nächsten Tag in meinem Zimmer. Von dem Tag an kommt sie jeden Nachmittag für 1 ½ Stunden. Seit drei Monaten. Ich denke sie ist die Tochter von irgendjemandem. Von ihr erfahre ich nur, dass sie ein Haus in Hangzjou haben. Gelernt hat sie mal Krankenschwester in Hangzhou. Dann war sie Vice Chairman und executive general manager dieses Hotels, und jetzt bereitet sie sich auf eine Prüfung vor, zum accountant. Und sie hat ein Englisch-Lehrbuch nach dem wir vorgehen.
Als Joyce Eier, Maronen und Süßkartoffeln von ihrer Mutter aus dem Dorf zu mir ins Hotel bringt, ist eine Gelegenheit Hellen bei mir anzutreffen. Sie kommt kurz vor Unterrichtschluss dazu. Wir haben einen richtigen Kaffeeklatsch mit Ristretto und Dulsao. „Oh, the machine is so little“. Übersetzt aus dem Chinesisch heißt das auf Deutsch soviel wie „aus so etwas Kleinem kann unmöglich etwas Gutes herauskommen. Oder auch, „ wie kann man sich als reicher Deutscher mit etwas so Kleinem zufrieden geben“.
Während ich mich in Hellens homework vertiefe, befragen sich die Frauen nach ihrem Woher und Wohin. Joyce als die Ältere und gesellschaftlich tadellos eingebunden, antwortet knapp und bestimmt, als ob es Hellen überhaupt nicht zusteht überhaupt irgendetwas zu fragen. Bei Hellen dagegen wird immer wieder insistiert und nach gebohrt. Einmal wendet H. sich an mich um mir auf Englisch zu erklären, dass sie sich erzählen aus welchen Dörfern sie stammen. Ich bin ratlos. Und erleichtert als Hellens Mann anruft und sie gehen muss.
Joyce bleibt. Sie sagt zu dem Tisch, dass sie sehr nachfragen musste bis sie alles erfahren hat und sieht dann ernst zu mir hoch.
„Keep the relationship simple to that girl“. Sagt sie mit Nachdruck.
Nicht gerade meine stärkste Seite etwas „simple“ zu halten. She is a spy, sage ich schneller als ich denken kann. Joyce sieht sich meine grüne Tischdecke von Kante zu Kante gewissenhaft an. Ist auch Quatsch von mir. Wenn hier jemand der “spy“ ist, kann den Job nur Joyce machen. Das ist schon klar. Nein hellen ist kein spy. Aber was ist mit dem „Girl“.
In unserem Hotel hatte es ja einige Wochen nach unserer Ankunft einen Besitzerwechsel gegeben. Viel Personal wurde ausgetauscht. Das war uns schon aufgefallen. Und Joyce hatte mir erzählt dass der erste Besitzer „bankrott“ gegangen war.
Dieser Besitzer ist Hellens Mann. Er hat geliehenes Geld weiter verliehen und nicht zurückbekommen. Er hat an Spieler verliehen, die einen hohen Zins versprachen. An „Gambler“ Sie erklärt mir die in China übliche Praxis privat Geld zu verleihen und zu borgen. Ich sehe die große LED Tafel am Park vor mir. Dort werden die Schuldner an den Pranger gestellt. Von der Gerichtsbarkeit. Ganz offiziell. Mit Adresse und Bild und Summe, die sie schuldig sind. Er ist jetzt mehrere Billionen Yuan schuldig, die er in seinem ganzen Leben nicht wird zurückzahlen können.
Sie sagt Hellen, alle denken er wäre tot. In der Stadt erzähle man sich, dass er von wütenden Gläubigern umgebracht worden wäre.“ The rumor in the town“ Nein, nein, das wäre nicht der Fall. . In dem Hotel wird er vom „government“ beschützt und bewacht. „They have an eye on him“. Mein Blut fährt einmal Fahrstuhl bis in den 62. und wieder runter - in einer Sekunde.
Ich sehe mich in einem Restaurantraum, in den gerade so der runde Tisch für 8 Personen hineinpasst, einem bewaffnetem Überfallkommando gegenüber. RaTaTaTaTaTaTaTaTa. Alle werden niedergemäht. Und dann weiter. Ich steige in den schwarzen Peugeot und er explodiert, nachdem sich alle freundlich miteinander bekannt gemacht haben und der Schüssel des Anlassers umgedreht wird. Ich bin einfach zu romantisch.
Oder wird beim anlassen nur noch ein Knopf gedrückt? Wahrscheinlich von Marke zu Marke verschieden.
Und wir dachten der Personalwechsel und diese Undercover-Typen in der Lobby hätte was mit uns zu tun. Nein, da wird jemand bewacht, der offen bedroht wird.
Zwei Morde haben wir hier in der Stadt schon mal dicht mitbekommen. Einer davon geschah direkt am Bankautomaten an einer Frau, die nachts dort wohl Geld holen wollte oder sollte. Am Morgen danach noch viel Polizei.
Also, wenns um Geld geht - hört der Spaß hier definitiv auf. Warum gehen sie auch nicht zur Bank, diese geizigen Abhängigkeitsjunkies.

Am nächsten Tag kommt Hellen wie gewohnt. 15:30-17:00Uhr. Wir sprechen nicht über gestern.
Ihren häufig gebrauchten theatralischen Satz kann ich jetzt viel besser einordnen:
„I am still too young and want learn more, to become better“.