Aber uns bleibt ja immer noch der „Stern“.
Unser hide-away. Der Stern des Ostens. Star of the East. Du Fang Tschü Sin. Niemand spricht Englisch und nirgendwo werden wir geduldiger und hilfsbereiter beraten. Familienbetrieb, vier Stockwerke. Es geht ums Essen. Es ist manchmal ein Problem. Oft kommt nach der Bestellung lange Zeit nichts, dann viel Gekicher und dann ein Stück kalte Hühnerbrust. Anstelle der Nudelsuppe, die man bei dem Regen und der Erkältung dringend nötig hätte. Anders im Stern. Wir bekommen einen schönen Raum im zweiten Stock, im Ersten befinden sich die Rezeption und die Speiseauswahlkarten nebst Fischbassins, sowie einige größere Räume mit mehreren 10er Tischen.

Der Chef oder die Chefin zeigt auf die Gerichte, versucht nach den Zubereitungswünschen zu fragen, holt Gäste zum übersetzen, auch mal den 10 Jährigen Sohn, oder die 11 Jährige Tochter. Mit denen wir sonntags nach dem Essen auf dem Platz vor dem alten Kino, das neben dem Restaurantgebäude liegt, Badminton spielen. Wir bekommen sofort Tee, Sonnenblumenkerne, Spielkarten. Zum 66 spielen. Man ist einigermaßen über die wenigen Karten konsterniert und völlig verwirrt, wenn wir nach jedem Spiel ein langes Palaver beginnen und lebhaft darüber resümieren. Z.B. über welche Karte man gestolpert ist und falsch ausgespielt hat und es überhaupt daran liegt nie den Kreuz Buben zu bekommen. Natürlich spielen wir ohne „marriage“. 66 für einen Spieler zu erreichen kommt dann seltener vor. Bei gleicher Spielstärke. Die ist fast erreicht, dank Onkel Erich, dem alten Ostpreußen. Gott hat ihn diesem Jahr zu sich berufen, und ich profitiere noch nach seinem Ableben von den Onkel-Erich-Tricks, die großzügig an einen lernbegierigen 12 Jährigen in endlosen Sommerferien der 70er Jahre weitergegeben wurden.

Also, der Regen rauscht, der Chicoree brodelt in einem Tontopf auf einem Stövchen, die Entensuppe hat heute einen Hauch mehr Ingwer und Koriander als sonst,“make you warmer“ und der Chef kommt herein und tippt Chinesisches in sein IPhone. Können wir leider immer noch nicht fließend entziffern. Er setzt sich zu uns, und seufzend rufe ich Hellen an. Das Mobile geht hin und her. Er möchte mit uns kommunizieren. Schön und gut, aber über was denn nun.
Er möchte uns in sein Dorf einladen. Wir sollen seine Familie kennen lernen.
Wer würde das Fremden bei uns in Deutschland anbieten? Komm mit zu mir aufs Land zu meiner Familie. Und wann? Morgen wäre gut, sagt er. Er holt uns ab. 10 Uhr. Hellen kommt mit. Wir hatten auch den Sonntag in einer Woche angeboten, aber so weit im Voraus Einladungen auszusprechen ist, nach unseren bisherigen Erfahrungen hier, nicht üblich.

Wir haben Glück mit dem trockenen, sonnigen Wetter. Das Haus ist neu, ein weiteres, älteren Datums befindet sich auch auf dem Grundstück mit Garten, mit neuen Obstbäumen. Mandarinen, Papaya. Die Riesenpampelmusen tragen dieses Jahr das erste Mal.


Die Chefin im Restaurant, immer an der Rezeption in Rechnungen vertieft, zur Zeit in pinkfarbener Steppjacke mit Pelzbesatz, ist seine Schwester. Ihr Mann arbeitet in einer Universität in einer anderen Stadt. Seine Frau arbeitet in einem Bürgermeisteramt. Sein Bruder hat ein neues Cafe mit Internet am Fluss aufgemacht. Jedes Paar hat genau ein Kind. Der Vater ist zu einem Arzt in einer anderen Stadt, die Mutter kocht mit den Schwiegertöchtern. Wir können Tischtennis spielen, oder einen Spaziergang durchs Dorf und die Felder mit dem Chef machen.

An der Strasse werden von einem älteren Paar, ein Bett und viele Kisten und Tonnen aufgestellt. Auf der anderen Straßenseite haben sie schon etwa 100 Bienenkästen verteilt. Sie sind in der Nacht mit den Bienenvölkern gekommen, weil an diesem Platz bestimmte Pflanzen jetzt gerade blühen. Sie müssen zügig seit Sonnenaufgang arbeiten, damit die Bienen nicht verhungern nach der langen Fahrt. Über dem Bett stellen sie ein Holzgestell auf über das dann eine Plane gelegt wird. Ich bedauere sie ein bisschen, aber dann erfahre ich, dass sie ein großes Haus in der Nähe besitzen.





Das Dorf hat einige neue große Häuser. Aber in vielen wohnt kein Mensch. Die Besitzer arbeiten und leben weit weg. Es ist ihre Altersvorsorge, ihre Investition. Es gibt auch keine Schule mehr, ein Schulbus kommt die wenigen Kinder in die nächst größere Gemeinde zu bringen. Aber ein betonierter Platz für Sportaktivitäten ist neu angelegt.

In einem Haus wird Baumwolle, die Baumwolltuffs ohne Kapsel, für Steppdecken mit einem altertümlichen Gerät auseinander gefusselt. Dabei macht der gespannte Faden einen Ton wie in einem Musikstück. Maulschellenartig. Und ein Klopfen dazu.

In den Feldern sehen wir uns die abgeernteten und neu eingesähten Abschnitte an. Viele kleine Kraute an den Feldwegen, die es auch in Deutschland gibt. Ich denke an Jean Marie in Sinzig. Auch hier in China werden sie in der Küche verwendet. Und immer mit einem Verweis auf die Wirkung auf den menschlichen Organismus. „Take the heat out of the body“, If you feel heaty“, „Good for man“, „Women cant eat“, usw.



Zum Abschied bekommen wir 500 Gramm Gelee Royal und ½kg Honig geschenkt.
Am nächsten Sonntag ist der Vater wieder zurück und wir sind in das Stadthaus zum Mittagessen eingeladen. Natürlich zusammen mit Hellen.




Auch hier gehen wir wieder zwanglos spazieren. Durch das Wohnviertel mit Fläche zum Gemüseanbau für den der mag bis die Fläche bebaut sein wird,

durch einen neuen kleinen Park, an einem geplantem 5Sterne Hotel vorbei, dessen Bau seit Monaten nicht mehr weiter verfolgt wird, zum Museum Jiangshan.
Groteske Dinosaurier bewegen Köpfe und Schwänze und ihr Brüllen hallt bedrohlich durch die Gänge des Gebäudes. Ausgestopfte Tiere, nicht alle waren hier einmal heimisch, lässt einen an Weihnachten in der Steiff Abteilung eines Kaufhauses denken. Geschichtliches erst ab revolutionären Zeiten. Der Spion Li vor allem. Dafür ausführlich Geologisches aus prähistorischer Zeit.
Geschichte ist sehr gut und wichtig, sofern sie sich auf die Zeit ab Mao bezieht. Ältere Geschichte selbstverständlich nicht. Sie gehört zu den 4 Übeln, die Mao ausrotten wollte. „Vier alte Übel“ (altes Gedankengut, alte Sitten, alte Kultur und alte Gewohnheiten) . Die Geschichte der alten Pagode in dem Park neben unserem Hotel kennt niemand. Ein junger Mann sagte, sie ist nicht älter als 10 Jahre. Die Wachtürme auf den Felsen am Fluss sind 400 Jahre. Das weiss aber nur jemand aus Singapur.
Joycees Mann ist für eine Woche zu Besuch und wir werden in ihr Heimatdorf mitgenommen. Ihre zwei Jungs sind auch für einen Monat zum Schulbesuch, um ihre Chinesischkenntnisse zu vertiefen, hier. Sie üben jeden Tag Geige und abends gehen sie zu einer Badminton Gruppe mit Trainer.

Das Wochenende ist ein Besonderes. Wie unser Erntedankfest und Thanksgiving. Traditionell gab es einst für die Nachbarn und alle die zu Besuch kamen gebratene Reismehlkuchen die fetttriefend in eine Sesamzuckermischung gestippt werden. Arme Ritter auf Chinesische Art. Heutzutage ist es nur noch eine Reminiszenz längst vergangener Tage, voller Sorge um die tägliche Schale Reis und bedeutete in jener Zeit eine kulinarische Extravaganz und große Leckerei. Angesichts der Kilo Anzeige auf der Waage so mancher Schleckermäuler, auch heute noch.

Zum Essen waren wir bei zwei Brüdern und den Eltern. Also dreimal lecker essen. Die Tische waren übersäht mit Schüsseln und Platten.






Es wurde ein Spaziergang gemacht.













Zu der Schweinezucht des einen Bruders und einem Stausee, der angeblich nur zum Fischfang eingerichtet wurde. Die Erdaufschüttung und Steinwallbefestigung mutete dafür gigantisch an. Wir trafen den Bürgermeister, der dafür verantwortlich war und es sich nicht nehmen ließ auch am Sonntag mal nach dem Rechten zu schauen. Oder zum telefonieren dort hingefahren war.





Die Schweine waren sauber, der Hühner viele, mit mehreren Hähnen, die Kälber dafür alle männlich, eine Ziegenherde zupfte am Hang ihre Kräutlein. Nur die vielen Hunde fand ich überflüssig. Und ich wollte auch mit keinem von ihnen auf dem Arm photographiert werden.



